MarieOdel van Rhijn, Inbal Mitnik, Shahr Lev-ari, Inquiry-Based Stress Reduction: Another approach for questioning stressful thoughts and improving psychological well-being, Medical Research Archives 2015, 2(1).

Zusammenfassung

In diesem Artikel geben die Autorin und die Autoren eine leicht verständliche Beschreibung des «Work»-Prozesses und vergleichen ihn kurz mit der kognitiven Verhaltenstherapie (Cognitive behavioral therapy, CBT) und der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (acceptance and Commitment therapy, ACT). Weiters fassen sie die klinischen Studien, die zu «The Work» durchgeführt wurden, zusammen und diskutieren im Anschluss einige Kritikpunkte. Im Anhang C folgt ein Fallbericht, den ich im Folgenden übersetzt wiedergebe.

Anhang C - Fallbericht:
Übersetzung: Brigitte Giesinger

Die Klientin ist eine Frau mittleren Alters, die mit ihrem Ehemann zusammen lebt. Sie ist gesprächig, ruhelos, wertend und braucht dringend Bestätigung. Sie fühlt sich leicht schuldig. Ihr Mann ist entspannter und spricht weniger. Die Klientin beklagt sich über ihre schlechte Stimmung, ihr geringes Selbstwertgefühl und ihr Gefühl von Angst und Unsicherheit.

In einer der Sitzungen sprach sie darüber, dass sie dauernd von ihrem Mann zurückgewiesen werde. Auf Bitte ihres Work-Begleiters hin füllte sie ein Arbeitsblatt [1] über ihren Ehemann aus:

Situation: Ich fragte meinen Mann Bob, ob er auf einen Spaziergang mitkomme, und er sagte «Nein». Früher am Tag hatte ich ihm angeboten, Suppe zu machen, und er sagte, es sei zu heiss für Suppe.

1. Ich bin wütend auf Bob, weil er mich zurückweist.
2. Ich will, dass Bob «Ja» zu meinen Vorschlägen sagt, und nicht immer «Nein». Ich will, dass er begeistert und dafür aufgeschlossen ist.
3. Bob sollte zuerst nachdenken, bevor er antwortet. Er sollte sich entspannen, er sollte erkennen, wie viel ich für ihn tue und meine Gefühle berücksichtigen.
4. Ich brauche von Bob, dass er mich unterstützt, dass er wertschätzt, was ich tue, dass er sich mit mir verbindet, dass er mir sagt, dass er nicht wütend auf mich ist.
5. Bob ist stur, negativ, schwierig, verschlossen.
6. Ich will nie wieder das Gefühl haben, von ihm zurückgewiesen zu werden.

Wörtlicher Bericht über die IBSR mit der ersten Aussage «Bob weist mich zurück».
K=Klient, B=Begleiter

B: In dieser Situation, als du Bob fragtest, ob er auf einen Spaziergang mitkomme und er sagte «Nein», Bob weist dich zurück, ist das wahr?

K: (Sofort) Ja.

B: Bob weist dich zurück; kannst du absolut sicher sein, dass das wahr ist?

K: (Schnell) Es fühlt sich so an, so, wie er «Nein» sagte.

B: Bitte schau nach innen. Antworte nicht sogleich vom Verstand aus. Warte, bis eine Antwort aus dem Innern auftaucht. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, dass Bob dich zurückweist? Antworte nur mit «Ja» oder «Nein».

K: ......... Nein.

B: In dieser Situation, wie hast du reagiert? Was passierte als du den Gedanken glaubtest «Bob weist mich zurück»?

K: Ich fühlte mich sehr ärgerlich. Ich war auch traurig. Ich mag ihn überhaupt nicht. Ich hasse ihn.

B: Welche körperlichen Empfindungen tauchen auf, wenn du den Gedanken denkst «Bob weist mich zurück»?

K: Ich fühle es hier (deutet auf ihren Magen). Wie ein Schlag. Ich fühle es auch in meinen Augen, als ob Tränen kommen. Mir ist übel.

B: Wie behandelst du Bob, wenn du den Gedanken glaubst «Bob weist mich zurück»?

K: Ich will ihn bestrafen. Ich beschliesse, ihm nie wieder etwas anzubieten oder etwas zu fragen. Ich schaue ihn böse an. Ich wende mich ab. Ich frage mich, warum ich diesen Mann geheiratet habe.

B: Und wie behandelst du dich selber, wenn du den Gedanken glaubst «Bob weist mich zurück»?

K: Wie behandle ich mich selber?

B: Ja, wie behandelst du dich selber, wenn du den Gedanken glaubst «Bob weist mich zurück»?

K: Ich bin traurig. Ich denke an all die anderen Male, als er mich zurückwies, als ich mich zurückgewiesen fühlte. Ich frage mich, warum er das macht. Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe.

B: (Notiert «Ich habe etwas falsch gemacht», um es später zu untersuchen.) Der Gedanke «Bob weist mich zurück», bringt er Frieden oder Stress in dein Leben?

K: Viel Stress.

B: Welche Bilder siehst du, wenn du den Gedanken glaubst «Bob weist mich zurück»?

K: Ich sehe viele andere Situationen mit ihm, in denen ich mich zurückgewiesen fühlte. Viele. Momente, in denen ich mich zurückgewiesen und nicht verstanden fühlte. Es passiert oft.

B: Welche Zwänge oder Süchte beginnen sich zu zeigen, wenn du den Gedanken glaubst «Bob weist mich zurück»?

K: Ich esse gleich etwas Süsses. Ich denke dauernd darüber nach. Ich möchte etwas Starkes trinken.

B: «Bob weist mich zurück», in dieser Situation, wer wärest du ohne diesen Gedanken?

K: ................... Es wäre nicht wichtig. Es wäre ok für mich. Vielleicht würde ich eine Freundin anrufen, oder alleine spazieren gehen. Ich wäre nicht traurig. Ich wäre nicht wütend.

B: Schliesse deine Augen und beobachte. Wer oder was wärest du in dieser Situation, wenn er «Nein» sagt, ohne den Gedanken «Er weist mich zurück»?

K: Es geht mir gut. Ich kann verstehen, dass er nicht rausgehen möchte, dass er vielleicht müde ist. Ich wäre OK. Ich würde sein «Nein» akzeptieren.

B: «Bob weist mich zurück». Kehre den Gedanken zu dir selber um: setze «Ich» und «mich» in den Satz.

K: «Ich weise mich zurück?»

B: Ja, Ich weise mich/mich selber zurück. Gib mir ein Beispiel, wie das wahr ist, in dieser Situation.

K: Ich weise mich zurück. Ja, ich mache mir Vorwürfe, dass ich ihn gefragt habe.

B: Hast du ein weiteres Beispiel für «Ich weise mich zurück»?

K: Ich weise mich zurück. Ich glaube, er sagt «Nein», weil ich etwas falsch gemacht habe.

B: Und noch ein Beispiel für «Ich weise mich zurück»?

K: Ich fühle mich verletzt wegen seines «Neins», aber ich kümmere mich nicht um diese Traurigkeit. Ich tröste mich nicht. Dann weise ich mich zurück, auf eine Weise.

B: OK. «Bob weist mich zurück». Nun kehre den Gedanken zum anderen um: Indem du «Bob» und «mich» vertauschst.

K: «Ich weise Bob zurück»?

B: Ja, ich weise Bob zurück. Gib mir Bbeispiele wie du Bob zurückweist.

K: Ich bin wütend auf ihn wegen seines «Neins». Ich akzeptiere sein «Nein» nicht. Ich bin in diesem Moment nicht an ihm und seinen Gefühlen interessiert. Ich möchte ihn wegstossen.

B: «Bob weist mich zurück». Kehre nun den Gedanken ins Gegenteil um, setze «nicht» in den Satz.

K: «Bob weist mich nicht zurück». Hmmm... Bob weist mich nicht zurück. J, das könnte wahr sein. Vielleicht wies er mich nicht zurück; vielleicht wollte er ganz einfach nicht spazieren gehen. Ja, ein wenig später fragte er, ob ich Tee wolle. Hmmm...

B: Kannst du ein weiteres Beispiel finden für «Bob weist mich nicht zurück»?

K: Bob weist mich nicht zurück... Ja, er sagte nicht, ich solle weggehen. Er sagte nicht, ich hätte ihn nicht fragen sollen.


Als der Begleiter die Klientin fragte, welche Umkehrung sie ausführen wolle, sagte die Klientin, dass ihr bewusst geworden sei, dass sie sich selber zurückweise, und dass das das sei, was am meisten schmerze. Sie versprach, besser für ihre Gefühle zu sorgen und Bobs «Nein» nicht so negativ zu interpretieren.
Eine Woche später kam sie mit fünf Beispielen von Situationen, in denen sie sich zurückgewiesen gefühlt und realisiert hatte, dass sie sich selber und Bob zurückwies. Im Moment, als sie das realisierte, begann sie, sich zu trösten und sie konnte sehen, dass sein «Nein» nichts mit ihr zu tun hatte.

[1] Gemeint ist das Arbeitsblatt «Urteile über deinen Nächsten». Es ist eines der Instrumente, die man im «Work»-Prozess benutzt, um stressvolle Gedanken zu identifizieren.
Arbeitsblatt «Urteile über deinen Nächsten»
Anleitung zum Bearbeiten